Wie tief sind wir gefallen: Kanadas katholisches Erbe

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Charles A. Coulombe

Oh Kanada! Land unserer Väter

Glorreiche Taten bekränzen Deine Stirn

 Denn Dein Arm weiß das Schwert zu führen

Dein Arm weiß das Kreuz hochzuhalten;

Deine Geschichte ist ein Epos

Großartiger Taten

Und Dein Heldenmut, verwurzelt im Glauben

Ist Schutz und Schirm für unsere Heime und unsere Rechte.

Ähnlich wie in den australischen und neuseeländischen Herrschaftsgebieten Ihrer Majestät kam es auch in Kanada während der COVID-Pandemie zu einer drastischen Beschneidung der Rechte der dort lebenden Menschen. Besonders groteske Formen nahmen diese Einschränkungen in der Provinz Quebec an: von einem Gericht, das einem Vater verbietet, seinen Sohn zu sehen, bis zum unfähigen Premierminister der „Belle Province“, François Legault, der auf zusätzlichen Steuern für die Ungeimpften besteht. Unnötig zu erwähnen, dass diese Maßnahmen die begeisterte Zustimmung des kanadischen Premierministers, Justin Trudeau, gefunden haben. Jeder dieser totalitären Politiker ist jedoch typisch für den Tiefpunkt, auf den die französisch-kanadische politische Klasse gesunken ist. Bereits 2019 hat Legault sein Wahlversprechen gebrochen, das Kruzifix nicht vom Sprecherstuhl im Parlament von Quebec zu entfernen. Das Säkularismus-Gesetz, das er und seine Regierung durchgepeitscht haben, mag in der heutigen säkularen Welt wie eine normale und einleuchtende Maßnahme erscheinen; aber es war der letzte Schritt in einem langen Verrat an der französisch-kanadischen Kultur und Nation durch ihre Führung.

Die Übersetzung der nach wie vor verwendeten französischen Version der kanadischen Nationalhymne, „Oh Canada!“, die am Anfang dieses Artikels zitiert wurde, vermittelt den Geist, der die französisch-kanadische Geschichte charakterisiert – viel deutlicher als die nichtssagende und konfessionell neutrale offizielle englische Version. In jeder katholischen Nation ist die Bevölkerung – solange die Mehrheit tatsächlich katholisch ist – davon überzeugt, dass ihrem eigenen Land eine von der Vorsehung bestimmte, sogar göttliche Mission zukommt; dies gilt von Spanien, Portugal und Irland bis nach Polen – und galt auch für die Nationen, die durch den Protestantismus verloren gegangen sind (Norwegen gründete die erste katholische Diözese in Nordamerika – in Gardar in Grönland). Es ist tragisch, dass diese Überzeugungen häufig eher als widersprüchlich denn als sich gegenseitig ergänzend angesehen wurden.

Dies galt jedenfalls für die meisten Franko-Kanadier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, für die ihre Geschichte tatsächlich „ein Epos großartiger Taten“ war. Seit Samuel de Champlain 1608 die Stadt Quebec gründete, drehten sich die Geschichten unserer frühen Besiedlung um Heilige wie St. Marguerite Bourgeoys, St. Marguerite d’Youville (die das Fest der Heiligen Familie in der Kirche einführte), St. François de Laval, St. Marie de l’Incarnation, Sel. Catherine de Saint-Augustin, Ehrw. Jeanne Mance und Ehrw. Jérôme Le Royer de la Dauversière. Sie wiederum wurden von Frankreichs Königinmutter, Anne von Österreich, und den Anhängern der Compagnie du Saint Sacrement (Gesellschaft vom Heiligen Sakrament, einer Geheimgesellschaft, die zur Verbreitung des katholischen Glaubens gegründet wurde – und zu deren Mitgliedern St. Vincent de Paul gehörte) stark unterstützt. In den frühen Tagen der Kolonie wurden die „Relations des Jésuites“ (Berichte der Jesuiten) geschrieben, um die Menschen in Frankreich darüber zu informieren, wie die Dinge standen; sie sind seitdem zu spirituellen, historischen und literarischen Klassikern geworden. Der Beitrag des Ordens zur Missionierung der französischen und indischen Gläubigen war mehr als literarisch: sechs Jesuiten besiegelten ihre Hingabe an Gott und ihr Volk mit ihrem Blut: St. René Goupil (1642), St. Isaac Jogues (1646), St. Jean de Lalande (1646), St. Antoine Daniel (1648), St. Jean de Brébeuf (1649), St. Noël Chabanel (1649), St. Charles Garnier (1649) und St. Gabriel Lalemant (1649). Ihren protestantischen Feinden in den dreizehn englischen Kolonien im Süden zahlenmäßig stets unterlegen, brachten ihre scheinbar endlosen Kämpfe mit diesen viele Helden hervor: den tiefgläubigen Ritter, der Montreal gründete, Paul Chomedey, Sieur de Maisonneuve; Adam Dollard, Sieur des Ormeaux, dessen Selbstaufopferung an der Spitze seiner Männer die Zerstörung der gerade erst gegründeten Siedlung von de Maisonneuve durch die Irokesen verhinderte; Pierre Boucher de Boucherville, der zum Prototyp des tapferen und frommen kanadischen Seigneurs wurde; und viele andere. Erwähnt werden sollten auch Entdecker wie La Salle und die Le Moyne-Brüder – die Sieurs de Bienville und d’Iberville, die den Mississippi erforschten und die Grundlagen für Französisch-Louisiana und die Kolonien in der Golfregion aufbauten. Wie bei den Spaniern im amerikanischen Südwesten und in Florida – wohin die Lilie ging, folgte das Kreuz. Während der französischen Herrschaft war die Gemeinde das Zentrum des täglichen Lebens in den kleinen Siedlungen Quebec, Montreal und Trois Rivières sowie in den Dörfern. Religiöse Frauenorden unterrichteten Kinder und verwalteten Krankenhäuser und der liturgische Kalender regierte das ganze Jahr.

Die Eroberung durch die Briten im Jahr 1759 und die vier Jahre danach erfolgte Abtretung von Französisch-Kanada an diese schien zunächst sowohl den Glauben als auch die Kultur der Einwohner zu bedrohen. Doch das kluge Vorgehen mehrerer aufeinanderfolgender Gouverneure sowie des Königs George III führte zum Quebec Act von 1774, der zwar in der Unabhängigkeitserklärung angeprangert wurde, den Franzosen in Kanada jedoch nicht nur die freie Ausübung ihrer Religion und teilweise sogar den Schutz derselben garantierte, sondern auch den Fortbestand ihrer Gesetze sicherstellte und die Grenzen der Provinz auf alle französischsprachigen Siedlungen im heutigen amerikanischen Mittleren Westen erweiterte. Auf seiner Grundlage konnte der heiligmäßige Bischof Briand von Quebec seine Gemeinde zum Widerstand gegen die amerikanische Invasion führen und über P. John Carroll für dessen Versuch, die französischen Kanadier von ihrer Loyalität abzubringen, die Exkommunikation verhängen.

Das Ende der Amerikanischen Revolution brachte eine Flut loyalistischer Englischsprachiger nach New Brunswick und Ontario; ungeachtet der bereits früher erfolgten Ansiedlung einiger anglophoner Kaufleute in Montreal (die größtenteils auf der Seite der Rebellen standen) war dies der eigentliche Beginn von Anglo-Kanada. Seitdem leben die beiden „Gründerrassen“ in unruhiger Nachbarschaft. Aufgrund der beiden Seiten gemeinsamen Loyalität gegenüber der Krone wurde die Monarchie jedoch zum einzigen wirklichen verbindenden Faktor gegenüber dem größeren südlichen Nachbarn. Unter den Neuankömmlingen und ihren Nachkommen entwickelten sich bis heute zwei politische Tendenzen: die erste, die Liberalen oder „Grits“, die zunächst den Anschluss an die Vereinigten Staaten befürworteten und sich dann mit der Zeit als „kanadische“ Nationalisten positionierten, wurden Sozialisten, und sind nunmehr die treuesten Verfechter des „Rechts“ auf Abtreibung und aller anderen Grauslichkeiten, die üblicherweise unter dem Schafspelz des „Fortschritts“ daherkommen. Die zweite Gruppe besteht aus den Konservativen oder „Tories“, die die Verbindung des Landes zu Großbritannien philosophisch als Blockade des amerikanischen Liberalismus bewerteten. Zu ihren bekanntesten zeitgenössischen Schriftstellern und Denkern gehörten John Fathering (Freedom Wears a Crown) und George Grant (Lament for a Nation). Aber es gab auch katholische Anglophone. Die schottische Einwanderung begann 1772, als Hochlandflüchtlinge protestantische Landbesitzer verließen, die versuchten, sie zwangsweise zum Protestantismus zu „bekehren“, und sich auf Prince Edward Island niederließen. 1803 erreichte der spätere Bischof Alexander MacDonell mit Mitgliedern einer Milizeinheit, deren Kaplan er gewesen war, den Osten von Ontario. Das Ergebnis davon ist, dass es in Kanada mehr Katholiken schottischer Abstammung gibt als in Schottland – und mehr schottisch-gälische Muttersprachler. Auch die irische Einwanderung nahm zu; einer der Väter der Konföderation, Thomas D’Arcy McGee, war ein Ire, der durch einen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von seinem Republikanismus geheilt worden war.

Währenddessen entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts das französisch-kanadische Ethos unter der Schirmherrschaft von Kirchenmännern wie dem Bischof von Montreal, Ignace Bourget, dem Bischof von Trois-Rivières, Louis-François Richer Laflèche, und dem Historiker und Journalisten Jules Paul Tardivel, dem „kanadischen Veuillot“. Für diese Denker war es offensichtlich, dass die Franko-Kanadier als Vorposten der katholischen französischen Zivilisation auf einem anglophonen und protestantischen Kontinent eine wichtige, schicksalsschwere Rolle zu spielen haben. Ihre Ideologie hieß „la Survivance“, das Überleben, das in drei Bereichen verteidigt werden sollte: Glaube, Sprache und Bräuche. Die aktive Verteidigung des Glaubens zeigte sich in den Hunderten junger Männer, die nach Italien reisten, um den Papst als päpstliche Zuaven im Konflikt von 1860-70 zu verteidigen – was zu einem entscheidenden Moment in der aufkommenden Identität der jungen Nation wurde.

Scharmützel wurden mit der anglophonen Mehrheit auch um die Schulen in New Brunswick, Ontario und Manitoba geführt. Manitoba und Saskatchewan waren in den 1870er und 1880er Jahren Schauplatz von Aufständen der französischsprachigen Métis unter der Führung von Louis Riel. Dies führte eine Zeit lang zu viel Unmut zwischen den beiden Rassen: die Franzosen sahen über Riels zeitweiligen Wahnsinn hinweg (während eines seiner Anfälle hatte er sich zum jüngeren Bruder Jesu erklärt); auf der anderen Seite ignorierten die Anglos, dass Riel trotz seiner Abneigung gegen die Regierung in Ottawa im Namen von Königin Victoria die Métis zum Widerstand gegen einen Überfall von Fenianern aus den Vereinigten Staaten geführt hatte.

Trotz vieler Rückschläge und massiver Einwanderung von Arbeitern in die Fabriken Neuenglands entwickelte sich die französisch-kanadische Nationalität weiter. Die frankophonen Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria evangelisierten die Indianer des Westens, geschützt durch die Royal Canadian Mounted Police, während französisch-kanadische Bauern noch unbesiedelte Teile von Quebec und Ontario erschlossen. Das religiöse Ordensleben erlebte eine Blütezeit; unter den vielen heiligen Gründern und Gründerinnen sei hier nur die wundertätige Ehrw. Mutter Catharine-Aurélie Caouette hervorgehoben. Sie gründete die Schwestern Anbeterinnen des Kostbaren Blutes, deren Klöster sich schnell in ganz Nordamerika und bis nach China ausbreiteten. In den Industriestädten Neuenglands und im Hinterland von New York entstanden „Little Canadas“ – jeweils mit einer reich verzierten Pfarrkirche, erbaut mit Hilfe von Kleinspenden von Einwanderern. Kontingente französisch-kanadischer Bauern wanderten in die ländlichen Bezirke der Staaten des Mittleren Westens, Minnesota, Illinois, Iowa, Kansas und Nebraska ein. Die unterschiedlichen Parteizugehörigkeiten unter den Frankokanadiern konnten zu heftigen Auseinandersetzungen führen, aber nur eine kleine Minderheit war antiklerikal, was zu Recht als eine anglophone Allüre angesehen wurde.

All dies wurde durch den Ersten Weltkrieg auf die Probe gestellt. Die Wehrpflichtkrise führte zu einem ernsthaften Bruch zwischen den französischen und englischen Lagern. Nach dem Krieg wurde Quebec kulturell von Msgr. Lionel Groulx, einem großen Historiker, und Maurice Duplessis, dem wohl größten Politiker, den die Frankokanadier je hervorgebracht haben, dominiert. Die beiden unterschieden sich in vielen Punkten voneinander, stimmten jedoch hinsichtlich der schicksalshaften Rolle der französischen und katholischen Präsenz in Nordamerika überein. Dies war die Zeit, als das Kruzifix auf dem Stuhl des Sprechers im Parlament von Québec und im Rathaus von Montreal angebracht wurde und als die gebildeten Schichten von Québec sich beeilten, die Sozialenzykliken von Pius XI. zu lesen.

Einige Intellektuelle nahmen jedoch Anstoß an der Stellung, die die Kirche im französisch-kanadischen Leben einnahm; sie schielten neidvoll auf den Antiklerikalismus und die vermeintliche Freiheit ihrer englischsprachigen sowie der in den französischen Metropolen ansässigen Kollegen. Viele von ihnen waren Marxisten. Im Laufe der 1940er und 50er Jahre wuchsen ihre Zahl und ihr Einfluss; der Tod von Duplessis im Jahr 1959 bezeichnete den Beginn des Aufstiegs eines völlig säkularen und linken Nationalismus. 1962 starb der Repräsentant der Königin in der Provinz Quebec, Vizegouverneur Paul Comtois, bei einem Brand seines Hauses beim Versuch, das Allerheiligste Sakrament zu retten.

Die Partei von Duplessis verlor im darauffolgenden Jahr die Macht an die Liberalen in Quebec. Parallel zur Implosion des katholischen Selbstverständnisses nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil führten die neuen Herren der Provinz die sogenannte „stille Revolution“ durch – sie verbannten die Kirche aus allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens: Bildung, Gesundheitsfürsorge, Arbeitswelt und aus vielen anderen Bereichen. Die Einführung von Geburtenkontrolle und Abtreibung wurde freudig begrüßt. Währenddessen taten die Bischöfe nichts. In den Worten von Msgr. Groulx: „Was soll man von unserem ‚schweigenden‘ Episkopat halten – ich bin nicht der Einzige, der das so bezeichnet – das offenbar keine großen Persönlichkeiten mehr hat; was von dem traurigen Verlust an Einfluss? Von Bischöfen, die zwar zum 100-Jahr-Jubiläum der Konföderation bereit sind, das Wort zu ergreifen, die sich aber allem Anschein nach nicht einigen konnten, das Konfessionsschulwesen wirksam zu verteidigen und das moralische Debakel einzudämmen? Die es ohne Protest zugelassen haben, dass man ihre Seminare oder Hochschulen übernommen hat, aus denen sich der klerikale Nachwuchs rekrutiert? (…) Wir bewegen uns Schritt für Schritt, aber unwiderruflich, in Richtung einer intellektuellen Mittelmäßigkeit. Im Bereich des geistlichen Lebens werden wir nicht mehr Hand in Hand mit den Laien gehen. Können wir das durch moralische Überlegenheit wettmachen? Wird es mehr Heilige unter uns geben? Ich kann es nur hoffen.“

Seine Hoffnungen haben sich leider nicht erfüllt. Die Frankokanadier innerhalb und außerhalb der Provinz sind seit damals immer säkularer geworden; ihre Geburtenrate – einst die höchste in Nordamerika – ist unter die Zahl gefallen, die erforderlich wäre, um die derzeitige Bevölkerungsdichte aufrechtzuerhalten. Auch die Anglo-Kanadier haben keinen Gewinn davongetragen, da die meisten von ihnen ihre eigene Identität verloren haben. Letztendlich sind beide Seiten durch ein zweisprachiges moralisches und kulturelles Vakuum ersetzt worden, das in den diktatorischen Regimes von Trudeau und Legault angemessenen Ausdruck findet. Vielleicht ist es gut, dass das Kruzifix vom Stuhl des Sprechers entfernt wurde – in einem Bordell ist kein Platz für ein solches Symbol.

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